Bewegungs- und Stützapparat

(von: Prim. Priv.-Doz. Dr. Gerd Ivanic, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie)

Erkrankungen des Bewegungs – und Stützapparates, die mit Schmerzen verbunden sind, haben sich mittlerweile zu einer Volkskrankheit entwickelt. Häufig ist eine Abnutzung der Wirbelsäule oder der Gelenke (Verschleiß) dafür verantwortlich. Schmerzen des Bewegungsapparates können aber auch durch eine Entzündung hervorgerufen werden. Häufig treten sie auch als Folge einer Verletzung auf.

Akut oder chronisch

Rücken und Gelenkschmerzen treten entweder akut (plötzlich) auf, oder sind chronisch (dauerhaft) vorhanden. 


Akute Schmerzen können sehr heftig sein, sie dauern aber meist nur einige Tage  - manchmal auch  - Wochen. Häufig liegt dabei eine muskuläre Verspannung, etwa nach einer sportlichen Überanstrengung, vor. Diese Schmerzen verschwinden meistens durch Wärmeanwendungen, Schonung und gegebenenfalls durch die Einnahme von Schmerzmedikamenten bereits nach wenigen Tagen.

Chronische Rückenschmerzen sind lang anhaltend und bestehen manchmal über Jahre hinweg oder sogar ein Leben lang. Sie können zeitweise aufhören, um dann immer wieder aufzutreten.

Um einer Chronifizierung von Schmerzen entgegenzuwirken und den damit verbundenen Leidensdruck zu vermeiden, sollte man bei Schmerze des Bewegungsapparats, die länger als zwei Wochen andauern, die Ursache der Schmerzen abklären (Diagnose), um dann die entsprechende Therapie einzuleiten.

Diagnose

bei Beschwerden des Stütz – und Bewegungsapparates

  • Patientenbefragung (Anamnese)
    Ermittlung von Schmerzlokalisation, Schmerzcharakter und Begleitsymptomen
  • Klinische Untersuchung
  • Prüfung neurologischer Ausfälle (Muskelschwäche und Taubheitsgefühle)
  • Labortests (können Hinweise auf mögliche Entzündungen, Infektionen oder Tumore geben)
  • Bildgebende Verfahren (zur Bestätigung/Objektivierung des Befundes)
     - Ultraschall: zur Beurteilung von  Veränderungen der Bindegewebs- und Weichteilstrukturen
     - Röntgen: zur Feststellung eines Bruchs oder Instabilität eines Wirbelsäulenabschnitts, Knöcherne
  • Veränderungen, Verkalkungen ?
     - Computertomographie (CT): gibt Auskunft über eventuelle Einengungen des Rückenmarkskanals, in
  • Gelenken, etc.
     - Magnetresonanztomographie (MRT): Beurteilung des Rückenmarks, der Weichteile,  Bandscheiben und Bänder
  • Zusätzliche Untersuchungen bei besonderen Fragestellungen:
     - Myelo- und Disco- und Szintigraphien
  • Diagnostische Arthroskopie ( Betrachten eines Gelenkes von innen (z. B. des Kniegelenkes, Schultergelenks) um eine Diagnose zu stellen. Auch Instrumente werden zur Diagnostik eingesetzt (z. B. ein Häkchen bei Prüfung der Kreuzbandstabilität).

Therapie

bei Beschwerden des Stütz – und Bewegungsapparates:

Bei der Therapie von Schmerzen im Bereich des Stütz – und Bewegungsapparates kommen im ersten Schritt allgemeine Therapieansätze (Schmerzmedikation, Physiotherapie) zum Einsatz. Zeigen diese zu wenig Wirkung, oder werden die Beschwerden chronisch (Schmerzen länger als 3-6 Monate) sind Konzepte der „speziellen Schmerztherapie“ (z.B. Schmerzkatheter, Reiztherapie) bzw. weiterführende multimodale Behandlungskonzepte gefragt. Dabei gilt generell: „Je früher, desto besser“.

Die offene Operation bezeichnet die konventionelle Methode (Skalpell), um eine funktionelle Störung chirurgisch zu behandeln. Der Patient wird unter Vollnarkose operiert. Mittels moderner mikrochirurgische Verfahren werden aber nur möglichst kleine Hautschnitte gesetzt.

Konservative Behandlung
  • Medikamentöse Behandlung (in Tablettenform):
     - Entzündungshemmende Medikamente (zB. Antirheumatika)
     - Muskelentspannende Medikamente  (Muskelrelaxanzien)
     - Schmerzlindernde Medikamente (zentral wirkende Analgetika, z. B. Opiate)
     - Schmerzdistanzierenden Antidepressiva (Mittel gegen Depression, die aber auch bei Schmerzen wirksam sind)
  • Infiltration: bei Entzündungen an der Nervenwurzel bewährt es sich, hochwirksame antientzündliche Medikamente möglichst nahe an die Nervenwurzel zu deponieren. Dies geschieht in Form einer Computer-Tomographie-gesteuerten Infiltration. Die Injektion selbst wird mit kleiner lokaler Betäubung vorbereitet und schmerzt in der Regel nicht.
  • Nervenblockade: dabei wird ein Lokalanästhetikum direkt an den schmerzleitenden Nerv gespritzt
  • Physiotherapie: Sind die Schmerzen abgeklungen, beginnt die  physikalische Therapie. Dadurch werden Muskeln wieder aufgebaut und gestärkt.
  • Wärme/Kältebehandlung (z.B. Schlammpackungen, Fango, Dampfbad, Eispackung)
  • Bei akuten Schmerzen des Bewegungsapparats kommt im Allgemeinen die      Kältebehandlung in Frage, bei chronischen Verläufen ist eine Wärmebehandlung indiziert.  
  • Massagen
  • Ultraschall
  • Heilgymnastik (Krankengymnastik): Sie dient der Verbesserung der Beweglichkeit und dem (vorsichtigen) Aufbau der Muskulatur.
  • Reiztherapien: z.B. die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Hier wird versucht, mittels elektrischer Reizströme eine schmerzstillende bzw. muskelentspannende Wirkung zu erreichen.
  • Akupunktur: gilt als unterstützende Maßnahme zur Schmerzlinderung
  • Magnetfeldtherapie
Operation

Reichen die konservativen Maßnahmen nicht aus, wird in einzelnen Fällen eine Operation erwogen.

Offene Operation

Die offene Operation bezeichnet die konventionelle Methode (Skalpell), um eine funktionelle Störung chirurgisch zu behandeln. Der Patient wird unter Vollnarkose operiert. Mittels moderner mikrochirurgische Verfahren werden aber nur möglichst kleine Hautschnitte gesetzt.

Minimal invasive Operationstechnik (Schlüsselloch-Chirugie)

Bei endoskopischen Eingriffen wird die Spiegelung, also Endoskopie, eingesetzt, um möglichst gezielt auf die betroffene Stelle zugreifen zu können und möglichst wenig unbeteiligte Strukturen wie Haut oder Muskeln zu verletzen. Bei dieser OP-Technik werden eine Sonde mit einer Videokamera und die benötigten chirurgischen Instrumente durch kleine Schnitte unter die Haut oder andere Strukturen wie Muskeln vorgeschoben.

Der Vorteil besteht darin, dass an der Hautoberfläche keine oder nur winzige Narben zurückbleiben und die Heilung insgesamt beschleunigt ist. Die minimal-invasive Chirurgie wird deshalb auch als Schlüssellochtechnik bezeichnet.

Therapeutische Arthroskopie

In vielen Fällen können auch operative Eingriffe (bei Schulterschmerzen, Knie) mit einem Arthroskop durchgeführt werden. Hiermit werden Bilder vom Inneren des
Schultergelenkes auf einen Bildschirm projiziert. Durch weitere kleinste Schnitte kann der Operateur spezielle Instrumente einbringen, um Weichteil- und
Knochenstrukturen zu entfernen. Auch gerissene Sehnen und Bänder können so wieder zusammengenäht oder ersetzt werden Der Vorteil dieser OP-Methode liegt vor allem in der früheren Mobilität des Patienten.

Entzündlich bedingte Erkrankungen des Bewegungsapparates
  • Rheumatische Erkrankungen
  • Sakroiliitis
  • Spondylitis/ Spondylodiszitis ( Entzündung der Wirbelkörper/Bandscheiben)

Rheumatische Erkrankungen

Unter dem Sammelbegriff Rheuma werden zahlreiche Erkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane, die nicht durch eine Verletzung oder durch tumoröse Veränderungen hervorgerufen werden, zusammengefasst. Insgesamt gibt es circa 450 verschiedene Formen.

DIE WICHTIGSTEN FORMEN RHEUMATISCHER BESCHWERDEN

  • Gelenkerkrankungen durch Verschleiß (Arthrosen): z. B. Kniegelenkverschleiß
  • Gelenkerkrankungen durch Entzündungen der Innenhaut der Gelenke (Arthritis): z.B. chronische Polyarthritis
  • Weichteilrheuma: betroffen sind Bänder, Muskeln und Sehnenscheiden (durch Entzündung oder Abnützung)
  • Rheumatische Beschwerden als Begleiterscheinungen anderer Krankheiten: z. B.  Gicht.


Rheumatische Erkrankungen beschränken sich jedoch nicht nur auf den Bewegungsapparat. Rheumatische Bindegewebeentzündungen können in allen Organen auftreten (z.B. Augen, Herz, Nieren, Darm, Blutgefäße).

Ursache

Die genaue Ursache der verschiedenen entzündlichen Rheuma-Erkrankungen ist noch weitgehend unbekannt. Fest steht lediglich, dass dabei Störungen in der Kontrolle des körpereigenen Immunsystems und in der Entzündungsreaktion eine Rolle spielen. Bleibt die entstehende Entzündung unbehandelt, führt sie zur allmählichen Zerstörung des betroffenen Gelenks oder Organs.

Rheumatische Erkrankungen können in jedem Alter auftreten, einige betreffen sogar Kinder.

Symptome

Rheumatische Erkrankungen haben zum Teil sehr unterschiedliche Symptome und sind daher auf den ersten Blick oft schwer als solche zu erkennen.

Typisch für entzündlich–rheumatische Erkrankungen (Arthritis)

  • Rheumatischen Schmerz im Ruhezustand, der sich bei Bewegung bessert
  • Ausgeprägte und länger anhaltende Morgensteifigkeit
  • Schwellungen an den Gelenke (insbesondere der Finger)
  • Greifschwierigkeiten, Kraftlosigkeit (in den Fingern)
  • Deformationen der Gelenke und gummiartige Knotenbildung (Rheumaknoten) im weiteren Verlauf
  • Fieber und grippeähnlichen Symptome
  • Kopfschmerzen


Sind innere Organe betroffen kommt es häufig zu

  • Herzbeutelentzündung
  • Rippenfellentzündung
  • Lungenfibrose
  • Augenentzündung
  • Entzündung der kleinen Gefäße (Vaskulitis)

Entzündlich-rheumatische Erkrankungen verlaufen sehr wechselhaft. Nach oft jahrelangen Phasen völliger Beschwerdefreiheit kommt es zu einer Zunahme der Krankheitsaktivität, die oft mehrere Monate anhalten kann („Krankheitsschub“).  Bei richtiger Therapie klingen die Schübe wieder ab, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen. Ansonsten können sich die Beschwerden auf weitere Gelenke ausdehnen
und zu einer rasanten Gelenkszerstörung führen – durch die Beteiligung innerer Organe kann die Erkrankung sogar lebensgefährliche Ausmaße annehmen.

Diagnose

Entscheidend für den Krankheitsverlauf sind daher frühe Diagnosestellung und sofortiger Therapiebeginn. Die Diagnose der rheumatoiden Arthritis wird stets aufgrund mehrerer Befunde gestellt:

  • Krankengeschichte (familiäre Vorbelastung spielt dabei eine wichtige Rolle)
  • Symptome
  • körperliche Untersuchung
  • Labortests
  • Bildgebende Verfahren: Röntgenaufnahmen der Hände und Füße sind besonders gut geeignet, um frühzeitig Veränderungen der Gelenke zu erkennen.

Therapie

Moderne Konzepte der Rheumabehandlung zeichnen sich dadurch aus, dass verschiedene Methoden miteinander kombiniert werden. Dabei muss für die unterschiedlichen Krankheitsbilder die jeweils richtige Mischung von Therapiemöglichkeiten gefunden werden. Für jeden einzelnen Patienten muss seine individuelle Therapie "maßgeschneidert" zugeschnitten werden.

Die wichtigsten Elemente der Rheumabehandlung:

  • Medikamente (entzündungshemmend und schmerzstillend)
  • Neue Medikamentengruppe („Biologica“, gentechnisch hergestellte Medikamente die die fehlgesteuerte Bildung von Antikörpern im Immunsystem einwirken.)
  • Krankengymnastik
  • Heilstollen
  • Ergotherapie (z.B. Gelenkschutztraining)
  • Physikalische Therapie (z.B. Wärme, Kälte, Massagen, Elektrotherapie)
  • Operative Therapie (z.B. Korrekturoperationen bei Gelenkfehlstellungen oder Funktionseinschränkungen, Gelenkersatz)
  • Patientenschulung
  • Psychologische Maßnahmen (z.B. Entspannungstraining)
  • Rehabilitation


Heilung im Sinne des völligen Verschwindens von Rheuma ist durch die Therapien leider nicht möglich. Es kann aber gelingen, das Fortschreiten fast vollkommen aufzuhalten, Beschwerden zu lindern und so die Lebensqualität und Beweglichkeit bis ins hohe Alter zu erhalten.

Die häufigsten rheumatischen Erkrankungen
  • Chronische Polyarthritis (Rheumatoide Arthritis)
  • Spondylarthropathien:  z.B Morbus Bechterew
  • Kollagenosen
  • Primäre Vaskulitiden
  • Stoffwechselstörungen (Gicht)

Osteoporose

Die Osteoporose (Knochenschwund) ist eine Störung im Knochenstoffwechsel, durch die es zu einem Verlust von Knochenmasse kommt. Durch den Verlust der Stabilität (Festigkeit) und Elastizität nimmt die Brüchigkeit der Knochen zu. Dadurch steigt das Risiko, einen Knochenbruch - sogar ohne Sturz - zu erleiden.

Die schwerwiegendsten Folgen dieser Skeletterkrankung sind Hüft- und Oberschenkelhalsbrüche, gefolgt von Rippen-, Wirbel- und Unterarmbrüchen.

Da sich die für die Betroffenen wahrnehmbaren Zeichen erst spät äußern, ist es enorm wichtig, die Osteoporose im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen frühzeitig zu entdecken und entsprechende Gegenmaßnahmen zu setzen.

Ursache

Je nach Ursache gibt es unterschiedliche Forme der Osteoporose, die mit Abstand häufigste Form betrifft überwiegend Frauen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren. Die Hauptursache ist der zunehmende Verlust des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen. Dieser Mangel wird durch die Hormonumstellung während der Wechseljahre ausgelöst.

Symptome

Die Verringerung der Knochenmasse verursacht an sich keine Symptome, vor allem zunächst keine Schmerzen. Oft ist ein Knochenbruch das erste Anzeichen für das Vorliegen einer Osteoporose.

  • Häufige Rückenschmerzen („Knacken im Rücken“)
  • Eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule
  • Spontanfraktur (Knochenbruch „von allein“ durch geringe Belastung ausgelöst)
  • Wirbelkörpereinbrüche (gehäuft ab dem 60. Lebensjahr auf, hauptsächlich bei Frauen)
  • Schmerzen an der unteren Brust- oder Lendenwirbelsäule (bei Wirbelkörpereinbrüchen)
  • Bildung eines Rundrückens
  • Abnahme der Körpergröße

Diagnose

Im Frühstadium ist die Osteoporose bisher nur eingeschränkt diagnostizierbar. Im fortgeschrittenen Stadium ist sie dagegen auf Röntgenbildern meist gut zu erkennen.

  • Basisdiagnostik: Familienanamnese, körperliche Untersuchung, Blutuntersuchung
  • DXA-Knochendichtemessung (Densiometrie)
  • Röntgen

Therapie

Die Behandlung der Osteoporose zielt darauf ab, den Knochenstoffwechsel medikamentös (zumeist mit knochenstärkenden Medikamenten oder Hormonersatzpräparaten) zu beeinflussen. Unbehandelt schreitet eine Osteoporose ständig voran und kann zu Invalidität und Pflegebedürftigkeit führen.

Vorbeugung

Von besonderer Bedeutung sind vorbeugende Maßnahmen, zu denen eine kalziumreiche Ernährung und regelmäßige körperliche Bewegung gehören. Anders als in der Vergangenheit wird die Hormonersatztherapie bei Frauen in den Wechseljahren nicht mehr generell empfohlen, sondern nur unter Abwägung des Nutzens und aller Risiken.

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